ECOWAS und der Verlust an Glaubwürdigkeit aus der Perspektive der geputschten Länder
Die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) steht zunehmend in der Kritik, insbesondere aus der Sicht der geputschten Länder Mali, Burkina Faso und Niger. Ihre Maßnahmen, Sanktionen und politischen Eingriffe werden von vielen in diesen Nationen nicht als Lösungsansätze für bestehende Probleme gesehen, sondern vielmehr als Beweise einer fehlgeleiteten und oft voreingenommenen Regionalpolitik. Die Organisation, die angeblich für Stabilität und Demokratie steht, verliert damit massiv an Glaubwürdigkeit – nicht nur bei den Regierungen, sondern auch bei den Bevölkerungen der betroffenen Länder.
Sanktionen als Symbolpolitik – Belastung für die Falschen?
Einer der häufigsten Kritikpunkte an ECOWAS betrifft die Verhängung von Sanktionen gegen Länder, die von Militärputschen betroffen sind. Diese Sanktionen sollen offenbar die Militärregierungen unter Druck setzen, wieder zu demokratischen Verhältnissen zurückzukehren. Doch in der Realität scheinen diese Maßnahmen oft das Gegenteil zu bewirken. Die Menschen in Mali, Burkina Faso und Niger, die ohnehin unter politischer Instabilität, Armut und unsicheren Verhältnissen leiden, werden durch solche Strafmaßnahmen zusätzlich belastet. Wirtschaftliche Isolation, Handelsrestriktionen und finanzielle Engpässe treffen in erster Linie die Bevölkerung und nicht die Regierenden.
Viele in diesen Ländern sehen ECOWAS daher nicht als Unterstützer, sondern vielmehr als eine Institution, die ihre schwierige Situation noch verschlechtert. Besonders in Ländern wie Niger, das lange als Verbündeter westlicher Mächte galt, schlägt dieser Zwiespalt in wachsendes Misstrauen um.
Ignoranz gegenüber Sicherheitsfragen
Die Region Sahel wird seit Jahren von schwerwiegenden Sicherheitskrisen geprägt, einschließlich terroristischer Angriffe und extremer Unsicherheit. Die geputschten Militärregierungen rechtfertigten ihre Machtübernahmen häufig damit, dass die vorherigen zivilen Regierungen nicht in der Lage gewesen seien, diese Probleme zu bekämpfen. Obwohl dies nur ein Teil der Wahrheit sein mag, weist es auf ein fundamentales Problem hin, das ECOWAS weitgehend ignoriert.
Anstatt den Ländern konkrete Lösungen oder Unterstützung bei der Bekämpfung extremistischer Bedrohungen anzubieten, fokussiert sich ECOWAS fast ausschließlich auf die Forderung nach schnellen demokratischen Wahlen. Für die betroffenen Länder scheint es jedoch, dass ECOWAS die Sicherheitsbedenken der Region vernachlässigt und damit den militärischen Regimen die Möglichkeit gibt, ihre Herrschaft zu legitimieren.
ECOWAS und der Verdacht von Doppelmoral
Ein weiterer Punkt, der die Glaubwürdigkeit der Organisation untergräbt, ist der Vorwurf der Doppelmoral. ECOWAS betont immer wieder ihre Verpflichtung gegenüber demokratischen Normen, hat jedoch in der Vergangenheit inkonsequent gehandelt. Warum wird gegenüber bestimmten Mitgliedstaaten, die unter autoritären Bedingungen regiert werden oder deren Führer ihre Amtszeiten gegen geltende Verfassungen erweitern, so wenig Druck ausgeübt?
Für viele in Mali, Burkina Faso und Niger wirkt der Fokus von ECOWAS auf ihre Lage einseitig und interessengeleitet. Besonders problematisch ist die Wahrnehmung, dass die Organisation stark durch externe Einflussnahmen – etwa durch Frankreich oder westliche Akteure – geprägt ist. Dies verstärkt das Bild von ECOWAS als Werkzeug fremder Mächte und nicht als Vertreter der Interessen der westafrikanischen Bevölkerung.
Fehlende Berücksichtigung der Ursachen der Instabilität
Die regionstypischen Probleme von Armut, schlechter Regierungsführung und Korruption sind wesentliche Ursachen für den Zusammenbruch demokratischer Systeme. Doch ECOWAS hat bisher kaum substanzielle Anstrengungen unternommen, diese strukturellen Herausforderungen anzugehen. Stattdessen beschränkt sich die Organisation darauf, auf die Symptome – in diesem Fall die Putsche – zu reagieren, ohne die tieferliegenden Gründe anzugehen.
Für die Menschen in den betroffenen Ländern entsteht so der Eindruck, dass die Organisation mit einem veralteten Mandat operiert, das den Realitäten der heutigen Zeit nicht mehr gerecht wird. Strategische Entwicklungsprojekte, langfristige Stabilitätsprogramme oder ein umfassender Sicherheitsansatz scheinen gänzlich zu fehlen.
Perspektivwechsel notwendig
Aus Sicht von Mali, Burkina Faso und Niger erscheint ECOWAS zunehmend als Teil des Problems und nicht der Lösung. Die militärischen Regierungen mögen keine idealen Repräsentanten für ihre Länder sein, doch ihre Kritik an ECOWAS stößt in der Bevölkerung auf breites Gehör. Die Organisation muss erkennen, dass reine symbolische oder strafende Maßnahmen, wie Sanktionen oder Zeitvorgaben für Wahlen, nicht ausreichen, um Vertrauen wiederherzustellen oder Stabilität zu schaffen.
Um ihre Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, muss ECOWAS ihre Herangehensweise grundlegend überdenken. Die Staaten der Region brauchen nicht nur einen moralischen Wächter, sondern einen engagierten Partner, der sich konkret mit ihren realen Herausforderungen auseinandersetzt – seien es Sicherheit, wirtschaftliche Entwicklung oder soziale Gerechtigkeit. Bis dahin bleibt die Organisation für viele in Westafrika ein gebrochener Spiegel, der weder eine klare Vision noch echte Unterstützung bietet.